Grundsteuerreform, Super-Logementsministère, Wohnungsbauberater

Die Kaufpreise auf dem Luxemburger Wohnungsmarkt sind in den letzten 10 Jahren (2010-2019) um mehr als 60%[1]gestiegen, das Medianeinkommen im gleichen Zeitraum jedoch um nur 12%[2]. Infolgedessen stiegen auch die sozialen Ungleichheiten um mehr als 15% (Gini-Index[3]: 2010 bei 0,28; 2018 bei 0,33). Zugleich kompensieren die hohen luxemburgischen Sozialtransfers diese Ungleichheiten immer weniger. Ein Trend, der sich 2018 bei einer STATEC-Umfrage bestätigte: hier gaben 28% aller Haushalte Schwierigkeiten an, „über die Runden“ zu kommen. In diesem Zusammenhang verwiesen vier von fünf Haushalten auf die hohen Wohnkosten.[4] Der rasante Anstieg der Wohnkosten trifft vor allem junge Menschen. Junge Erwachsene wollen sich nach dem Einstieg ins Berufsleben von ihrem Elternhaus lösen und sich den Traum einer Eigentums- oder Mietwohnung erfüllen. Zunehmend bleibt dies allerdings ein Traum.

Der Grund für den enormen Anstieg der Grundstückspreise liegt vor allem an der großen Nachfrage nach Wohnungen. Dies ist eine der Folgen des Bevölkerungswachstums der letzten Jahrzehnte. Allein zwischen 2010 und 2020 wuchs die Bevölkerung in Luxemburg um 24%. Das STATEC prognostiziert einen weiteren Anstieg der Bevölkerung auf über 1 Mio. Einwohner, wobei sich infolgedessen der Wohnungsbedarf bis 2060 mehr als verdoppeln werde.  Um der Nachfrage nach Wohnraum gerecht zu werden, müssten laut STATEC zwischen 6.200 bis 8.000 Wohneinheiten pro Jahr fertiggestellt werden. Zwischen 2010 und 2016 wurden jedes Jahr 3.200 neue Wohnungen geschaffen.[5]

Ein weiterer Grund für die steigenden Grundstückspreise ist die anhaltende Null-/Niedrigzinspolitik der europäischen Zentralbank. Diese führt nämlich dazu, dass Bauland sich hervorragend als alternative Kapitalanlage für private Großgrundbesitzer, Firmen und Immobilienfonds eignet. Rund 73% der Baulandreserve lag 2016 im Besitz von gerade einmal 2,7% der Bevölkerung und 16,6% (Tendenz steigend) im Besitz von Firmen und Fonds.[6]

Die Regierung hat mit dem Pacte Logement 2.0 einen bedeutenden Schritt unternommen, den staatlichen und kommunalen Wohnungspark nach Wiener Vorbild auszubauen und so einen steuernden/bremsenden Effekt auf die Wohnungspreisentwicklung zu haben. Künftig sollen bei Neubaugebieten durch den Pacte Logement 2.0 bis zu 20% der Wohnungsbauflächen bzw. Wohnungen an die Gemeinden oder den Staat abgetreten werden. Berücksichtigt man jedoch, dass sich in Wien bei einer Gesamtbevölkerung von 1,9 Mio. Einwohnern rund 220.000 Wohnungen im Besitz der Stadt Wien[7] befinden, müsste die öffentliche Hand bei einer derzeitigen Bevölkerung von 625.000 Einwohnern rund 73.000 Wohnungen zukaufen. Bei jährlich 7.000 neuen Wohneinheiten und einem Zukauf von jährlich 20% (1.400 Wohnungen) wird diese Maßnahme allein schon wegen des Bevölkerungswachstums nie einen vergleichbaren Hebel erreichen können.

Um den steigenden Immobilienpreisen bereits in den nächsten 10 bis 20 Jahren entgegenzuwirken, also Bauland zu mobilisieren, mehr Wohnungen fertigzustellen und somit auch den öffentlichen Wohnungspark auszubauen sind demnach weitere tiefgreifende Maßnahmen erforderlich.

Aus diesem Grund fordern wir die Regierung dazu auf:

  • Noch in dieser Legislaturperiode eine tiefgreifende Reform der Grundsteuer durchzuführen mit dem Ziel, Grundstücke als Kapitalanlage unattraktiv zu machen, und somit großflächig Bauland für öffentliche und private Bauträger zu mobilisieren. 

Hierbei soll die Grundsteuer für nicht genutztes Bauland schrittweise auf bis zu 10% des reellen Grundstückwerts erhöht werden. Dafür muss jedoch zuerst eine Reform der Grundsteuer durchgeführt und die aus dem Jahre 1941 stammenden Grundstückseinheitswerte aktualisiert werden.

Dieser erhöhte Grundsteuersatz soll jedoch nicht in allen Gemeinden des Landes gelten. Vor allem Ballungsgebiete (die sogenannten Wohnvorranggemeinden) wie z. B. die Stadt Luxemburg, Esch-sur-Alzette und die Nordstad sowie nationale Entwicklungsgebiete, die in den Plans Sectoriels festgelegt sind, sollen hier visiert werden. Gebiete also, in denen Wachstum gefördert werden und deren kritische Masse (Urbanität) dazu beitragen soll, einen effizienten Einsatz von ÖPNV (Straßenbahn, Zug, Bus etc.) zu ermöglichen. Ländliche Gebiete sollen weitestgehend von einer Erhöhung der Grundsteuer verschont bleiben. Die Ortschaften in diesen Gebieten sollen auch in Zukunft ihren Dorfcharakter behalten und kein bzw. nur ein geringes weiteres Verkehrsaufkommen auf den vorhandenen Transportachsen generieren. Einen Anreiz für ein Bevölkerungswachstum in diesen Kommunen zu schaffen wäre aus landesplanerischer Sicht kontraproduktiv.

Sobald auf den oben erwähnten, unbebauten Grundstücken eine Genehmigungsprozedur (PAP oder Baugenehmigung) initiiert wird, soll ein ermäßigter Grundsteuersatz gelten.

Des Weiteren sollen Grundstücksbesitzer, die ihren Nachkommen ein bebaubares Grundstück hinterlassen wollen, nicht vom erhöhten Grundsteuersatz visiert werden. Aus diesem Grund soll für den zu versteuernden Betrag ein Nachlass von 10 Ar Bauland pro Nachkommen (Kinder und Enkelkinder) eingeführt werden.

  • Die Wohnungskrise nicht nur anzuerkennen, sondern diese auch interministeriell als oberste Priorität anzusehen. 

Hierbei sollen neue gesetzliche Anforderungen, die zu weiteren bzw. neuen Genehmigungsprozeduren führen, wie z. B. das anstehende Denkmalschutzgesetz oder das Bodenschutzgesetz gründlich überdacht werden. Dies hat zum Ziel Wohnungsbauprojekte, die sich in der Entwicklungs- bzw. Umsetzungsphase befinden, sowie künftige Projekte in ihrer Ausarbeitungsdauer nicht zu beeinträchtigen. Auch bestehende Prozeduren sollen dringend überarbeitet, vereinfacht, digitalisiert und gegebenenfalls die Verwaltungen personell aufgestockt werden, um die Umsetzung künftiger Bauprojekte zu beschleunigen. Eine kohärente Wohnungsbaupolitik kann nur dann gelingen, wenn auch die Gemeinden eingebunden werden und zudem der Aspekt des Umwelt- und Naturschutzes Berücksichtigung findet. Damit dieses Ineinandergreifen besser gelingt, sollten die Ressorts Umwelt, Inneres und Wohnungsbau in einem Ministerium gebündelt werden und damit in den Verantwortungsbereich eines einzelnen Regierungsmitglieds fallen. 

  • Die im Pacte Logement 2.0 für die Gemeinden vorgesehenen Wohnungsbauberater, sollen auch Privateigentümern zu Verfügung stehen bzw. gefördert werden.

Grundstückseigentümer, die einen klaren Fahrplan und Informationen bezüglich der anstehenden Kosten sowie Chancen und Risiken benötigen, sollen ebenfalls von einer fachspezifischen Beratung profitieren können.  Mithilfe dieser Beratung ist es den Eigentümern möglich, eine fundierte Entscheidung über ihre Grundstücke zu treffen.


[1] http://observatoire.liser.lu/pdfs/Logement_chiffres_2019T4.pdf (S.6)

[2] http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=ilc_di03&lang=de

[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/944769/umfrage/einkommensungleichheit-in-luxemburg-nach-dem-gini-index/

[4] https://statistiques.public.lu/catalogue-publications/analyses/2019/PDF-Analyses-02-2019.pdf (S.122, 141 & 189)

[5] http://www.lessentiel.lu/de/luxemburg/story/wieviele-neue-wohnungen-werden-benotigt-27143487

[6] https://logement.public.lu/dam-assets/documents/actualites/2019/02/190228_conference_de_presse_obs/Note23-ObservatoireHabitat.pdf (S.3)

[7] https://www.wien.gv.at/wohnen/wienerwohnen/index.html

Deelen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Email
WhatsApp